hans hinken

coaching – teambuilding – consulting


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THE BLACK RIDER und ein durchgeknallter Wilhelm Tell

Friederike Heller inszenierte Ende letzten Jahres an der Berliner Schaubühne das höllische Gesangsstück von William S. Burroughs und Bob Wilson mit der Musik von Tom Waits in einem aussergewöhnlichen Parforceritt – 2 Stunden ohne Pause bei ohrenbetäubender Musik.

Jule Böwe, Andi Haberl, Ulrich Hoppe, Tilman Strauss, Peter Thiessen, Franz Hartwig, Sebastian Nakajew; Foto: Thomas Aurin

Jule Böwe, Andi Haberl, Ulrich Hoppe, Tilman Strauss, Peter Thiessen, Franz Hartwig, Sebastian Nakajew; Foto: Thomas Aurin

Die ausgesprochen gut arrangierten Klänge der Theater-Combo um den Bassisten Peter Thiessen brachte mit Anklängen an uralte Songs der DOORS Erinnerungen an verwelkte Kifferzeiten zurück, und versetzte die Hälfte des Publikums als Zeitzeugen der BEAT-GENERATION in Schwingung.

Die andere Hälfte dürfte sich eher durch Lektüre von Sekundärliteratur mit der Materie vertraut gemacht haben. Dabei handelt es sich beim Grundstoff des Black Riders um das alte „Freischütz-Thema“:

Junger Mann liebt Jägerstochter und verschreibt sich dem Teufel, wenn er von diesem Freikugeln erhält, die nie ihr Ziel verfehlen. Es kommt zum Probeschuss, der auch darüber entscheidet, ob Max / Wilhelm nicht nur die Tochter heiraten darf, sondern auch noch die Erbjagd erhält.

Andi Haberl, Lucy Wirth, Franz Hartwig, Peter Thiessen; Foto: Thomas Aurin

Andi Haberl, Lucy Wirth, Franz Hartwig, Peter Thiessen; Foto: Thomas Aurin

Der Plot des Black Rider aber ist keine flache Adaption der Oper von Carl Maria von Weber, sondern gewinnt seine autobiografische Komplexität und Vielschichtigkeit durch die Lebensgeschichte seines Autors William S. Burroughs, der mit Jack Kerouac und Allan Ginsberg die ideologischen Urväter einer ganzen Generation wurden. Sex, Drogs & Rockn’Roll war ihre Losung. Damit setzten sie sich ab von der sich abzeichnenden Konsumorientierung der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft.

Verhängnisvoller allerdings verlief das Leben des Autors, der im Drogen – und Alkoholrausch Wilhelm Tells Apfelschuss mit seiner Frau nachstellen wollte und sie aus kurzer Entfernung mit einer Flinte in den Kopf traf.

Andi Haberl, Jule Böwe, Tilman Strauss, Franz Hartwig, Peter Thiessen, Ulrich Hoppe, Silke Eberhard; Foto: Thomas Aurin

Andi Haberl, Jule Böwe, Tilman Strauss, Franz Hartwig, Peter Thiessen, Ulrich Hoppe, Silke Eberhard; Foto: Thomas Aurin

Friederike Heller legt die Inszenierung so an, dass die Deutlichkeit zur aktuellen „Gun-Shooting-Debatte“ in den USA nicht zu übersehen ist.Die radikalen Ansichten einer schiesswütigen Gesellschaft schwingen in jedem Beat mit, und die Schauspieler verkörpern in jedem Charakter Facetten dieser Haltung, die unter Vorgabe, Frau und Kinder schützen zu wollen, diese gerdewegs in den Tod befördern. Ironie des Schicksals, die nicht nur in den erschreckenden Amokläufen zu Tage tritt.

Franz Hartwig besticht in der Rolle des Wilhelm durch sein immenses Laufpensum und seine angebetete Jägerstochter, brillant gespielt von Lucy Wirth, erklimmt durch Stimm- und Körpereinsatz ungeahnte Höhen.

Im Ganzen ein hervorragendes Ohren- und Sinnenbetäubendes Gesamtspektakel.

Ria & Hans J Hinken


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Wirksam führen vor Ort

Shop-Floor-Management

von Albert Hurtz, Martina Stolz presse-902

„Träger eines effektiven Shop-Floor-Managements ist der Shop-Floor-Manager. Er ist das neue Bindeglied zwischen dem Shop-Floor (der Produktionshalle) und den weiteren Führungsebenen, indem er Veränderungen und Verbesserungen mit den Mitarbeitern umsetzt, Ziele systematisch vorantreibt und Informationen weitergibt. Er füllt die Prinzipien des Shop-Floor-Managements mit Leben und setzt sie vor Ort bei der Mitarbeiterführung um.“

So formulieren die Autoren die Arbeitsplatzbeschreibung eines  Shop-Floor-Managers in ihrem 280 Seiten starken Buch. Beim Durchlesen der gut strukturierten und logisch aufgebauten 17 Kapitel stolpert der Leser immer wieder über den Mantra ähnlich verwendeten Begriff – und die Diktion erinnert an eines der vielen amerikanischen Managementbücher.

Doch was soll er uns sagen? Welche Erneuerung steckt dahinter?

Auf den ersten Seiten wird er mit der Funktion des Meisters in Produktionsunternehmen verglichen. Dort, wo es die Meister-Ebene in der betrieblichen Hierarchie gibt, bedarf es vielleicht nur einer veränderten Haltung oder diverser Trainings, um diesen Turn-Around in der Mitarbeiterführung zu bewerkstelligen. Braucht es dafür diesen neuen Begriff?

Ein Blick zurück in die Geschichte des US Amerikanischen Unternehmens GE – General Electric – macht deutlich, dass Jack Welsh, der ehemalige CEO, schon in den 80er Jahren diese Ideen verfolgte und umsetzte. Er nannte es „Work-Out-Programm“, das den Arbeitern ermöglichte, Verbesserungsvorschläge zu machen und aktiv an der Steuerung und Steigerung der Produktivität teilzunehmen, was einen enormen Motivationsschub bedeutete.

Was aber geht im vorliegenden Buch über den Welshen Ansatz hinaus?

Die Autoren beschreiben 3 Vorteile ihres Ansatzes:

–      Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und Abläufe

–      Höhere Mitarbeiterzufriedenheit durch Wertschätzung und Anerkennung

–      Erhöhte Kundenzufriedenheit durch stabilere Prozesse im Qualitätsmanagement

Am besten umzusetzen ist dies innerhalb einer Matrixorganisation und durch „Führen vor Ort“ in kleinen, effektiven Teams, die vom  Shop-Floor-Manager als Primus inter Pares von innen geführt werden.

Und hier stößt der  Shop-Floor-Manager auf seinen ersten Rollenkonflikt, denn er ist Teammitglied und Führungskraft zugleich. Desweiteren wird er gesehen als Konfliktlöser, Weiterbildner, Stress-Manager und Change-Agent. Jeder weiteren Rolle wird ein Buchkapitel gewidmet, das ebenso ein Leitfaden für ein spezifisches Trainingskonzept sein könnte.

Im Teil D über das Verbesserungsmanagement geht es um die Entwicklung einer wertschätzenden Vertrauenskultur als wesentlichen Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Wie sehr diese mit Leben gefüllt werden kann, hängt allerdings von allen Beteiligten ab und bedarf eines geduldigen Aufbaus.

Auf weiteren Ebenen wird der  Shop-Floor-Manager als Motor systematischer Problemlösungsprozesse gesehen, der eine effektive Meetingkultur durch das  Shop-Floor-Board in der Produktionshalle einführt und die Tools der Prozessfluss- und Verschwendungsanalyse beherrscht. Zudem versteht er es – als Kommunikationsgenie – Fehler als Chance zum Lernen zu begreifen und seinen Mitarbeitern die Angst vor Experimenten zu nehmen.

Deutlich wird nach der Lektüre aller 17 Kapitel, dass der  Shop-Floor-Manager ein ganz besonderer Mensch sein muss, ausgestattet mit den vortrefflichsten Soft-Skills und immer bereit und in der Lage, allen Herausforderungen mit großer Gelassenheit zu begegnen. So einen Mitarbeiter habe ich in 35 Jahren Berufsjahren noch nicht getroffen. Sei’s drum.

Die Autoren entwerfen und beschreiben einen konzeptionellen Ansatz, den sie in einigen Unternehmen offenbar recht erfolgreich umgesetzt haben. Zwar werden kurze Beispiele angeführt, leider kommen aber keine Betroffenen zu Wort.

Ein Kapitel über die Herausforderungen bei der Umsetzung wäre hilfreich gewesen.

Dafür ist das Buch im Aufbau recht überschaubar und lesbar gestaltet. Zu Beginn eines jeden Kapitels wird ein Ausblick geliefert, am Ende die Kernbotschaften als Fazit festgehalten und Wesentliches in Merksätzen pointiert.

Ganz erfrischend taucht an diversen Stellen ein virtueller Leser auf, der dem Autorenteam Zwischenfragen stellt und eine kleine Diskussion anzettelt. Sehr charmant und unterhaltsam!

Durch Schaubilder und Tabellen vermittelt das Buch immer wieder kleine Trainingsansätze, die  sich für jede Führungskraft eignen, welche sich mit wertschätzender Kommunikation, situativem Führungsstil, Teamentwicklung und Konfliktlösungskompetenzen im Berufsalltag auseinandersetzt.

Eine hilfreiche Lektüre nicht nur für den  Shop-Floor-Manager.

Hans-Josef Hinken
Shop-Floor-Management
Wirksam führen vor Ort

von Albert Hurtz, Martina Stolz

Shop-Floor-Management

1. Auflage (2013)
280 Seiten
ISBN-13: 9783869802091, Preis 34,80 €